Security-Code

Krankheiten und Schädlinge (Teil 1)

Die Sommermonate Juni, Juli und August werden geprägt von Pflanzenschutzmaßnahmen zur Abwehr pflanzlicher und tierischer Schädlinge. Die Brisanz ergibt sich daraus, dass der Weinberg trotz unterschiedlicher Begrünungsarten durch die Monokultur Rebe dominiert wird und das Auftreten eines Schaderregers sehr schnell epidemische Ausmaße annehmen und damit die Ernte vollkommen vernichten kann. Eine sorgfältige, zeitgenaue Durchführung der notwendigen Pflanzenschutzmaßnahmen ist für eine qualitativ hochwertige Weinerzeugung unerlässlich. Welches sind nun die wichtigsten Schädlinge im Weinberg, die uns nicht nur viel Arbeitszeit, Geld und Kontrolle kosten, sondern auch stetig eine Gefahr für Qualität und Quantität der Ernte darstellen?


Im 1. Teil stellen wir Ihnen die wichtigsten Rebkrankheiten vor. Diese sind in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen für den Weinbau wesentlich gravierender als die tierischen Schädlinge, welche wir Ihnen im Teil 2 dieses Themas vorstellen werden. Einige der Rebkrankheiten, wie Falscher und Echter Mehltau, können deshalb so gefährlich sein, weil sie erst im 19. Jahrhundert eingeschleppt wurden und somit keine natürlichen Abwehrmechanismen existieren.

 

ECHTER MEHLTAU - UNCINULA NECATOR

Dieser Pilz befällt alle grünen Rebteile, beginnend an warmen Tagen im Frühjahr, wo er junge Triebe mit schmutzig grau-weißem Belag überzieht, diese im Wachstum zurückbleiben und der Befall rasend schnell epidemische Ausmaße annehmen kann. Der Pilz wurde erst 1845 aus Nordamerika nach Europa eingeschleppt und war u. a. für den dramatischen Niedergang des europäischen Weinbaus Ende des 19. Jahrhunderts mitverantwortlich. Erst mit der Entdeckung, dass Schwefel als Stäubeschwefel eine hohe Wirkung in der Bekämpfung des Echten Mehltaus zeigt, ging es wirtschaftlich wieder bergauf.


Die Befallsintensität steht in äußerst enger Beziehung zur Witterung. In heißen Sommern sind Oidiumepedemien vorgezeichnet. Entsprechend war der Pilz besonders in südlichen Weinbaugebieten von erheblicher Schadwirkung. Die heißen Sommer seit 1990 haben auch in unserem Weingut den Echten Mehltau zu einer großen Gefahr werden lassen. Während heißer Tage bilden sich massenhaft Sporen, nachts steigt infolge der Abkühlung die relative Luftfeuchte und die Pilzsporen finden beste Infektionsbedingungen. Der Pilz überzieht bei frühem Befall die Gescheine, d. h. Blütenstände, mit dem typischen grau-weißen Belag (Beiname: Äscherich), welche dann absterben. Bei Traubenbefall zerstört der Pilz die Beerenhaut, das Innere der Beere wächst weiter. Als Konsequenz platzen die Beeren auf, werden von Fäulnis befallen und totaler Ertragsausfall kann die Folge sein. Wein aus befallenen Trauben weist zudem einen starken Fehlton auf.


Die Bekämpfung muss daher vorbeugend erfolgen. Schwefel als sogenannter Netzschwefel ist auch heute noch Bestandteil der Strategie, aber gerade an heißen Tagen verliert er schnell an Wirkung. Gegen organische Fungizide entwickelte der Echte Mehltau schnell Resistenzen, so dass sich erst mit Entdeckung der Strobilurine - einem Naturstoff aus einem kleinen unscheinbaren Waldpilz (strobilurus tenacellus) gewonnen - seit wenigen Jahren die Situation etwas entspannt hat. Wir können nun entsprechend des Befallsdrucks zwischen verschiedenen Mittelgruppen variieren und ein effektives Resistenzmanagement betreiben. Kurative Mittel existieren nicht, regelmäßige Kontrollen und rechtzeitige, präventive Bekämpfung bleibt daher unerlässlich.

 

UNECHTER MEHLTAU - PLASMOPARA VITICOLA

Dieser Pilz ist verwandt mit der Phytophthora (Krautfäule der Kartoffel), der Peronospora des Hopfens und dem Blauschimmel des Tabaks. Berüchtigt und bekannt im Weinbau ist er unter seinem älteren lateinischen Namen Peronospora. Die Peronospora wurde 1878 aus Amerika nach Südfrankreich eingeschleppt und verbreitete sich in kürzester Zeit über ganz Europa mit katastrophalen Folgen. Erst mit der Entdeckung der fungiziden Wirkung des Kupfers 1883 in Bordeaux (als Bordeauxbrühe bezeichnet), bekam der Weinbau wieder eine Überlebenschance.


Der Pilz befällt ebenfalls alle grünen Rebteile. Typisches Erkennungszeichen ist der „Ölfleck", eine runde, gelbliche Aufhellung auf dem Blatt, dem bald auf der Unterseite ein weißer Pilzrasen folgt. Die Flecken dehnen sich aus, das Blattgewebe färbt sich braun und stirbt ab. Die Beeren werden ebenfalls mit weißem Pilzrasen überzogen und sterben im frühen Stadium ab. Später werden sie blau und schrumpfen zu sogenannten Lederbeeren. Starker Peronosporabefall führt zu hohen Ertragsverlusten, beeinträchtigt die Qualität der Trauben und die Holzreife der Triebe.


Sie ist seit ihrem Auftreten die gefürchtetste Geißel im Weinberg. Der Pilz überwintert im abgefallenen Reblaub und wird im Frühjahr via Sporen durch Regentropfen auf die jungen Blätter transportiert. Diese Situation nennt man Primärinfektion. Voraussetzungen dafür sind mindestens 10° C Bodentemperatur, 10 mm Niederschlag in 3 Tagen, Rebblätter, die größer als 2 cm sind und Außentemperaturen von mindestens 15°-20° C. Die Primärinfektion ist nicht zu verhindern, die Bekämpfung muss in der nun folgenden Inkubationszeit vorgenommen werden, um den Ausbruch einer Zweitinfektion zu verhindern. Die Bedingungen für eine Primärinfektion sind oft Mitte bis Ende Mai gegeben, so dass die ersten Maßnahmen in den ersten Junitagen getroffen werden müssen. Der Pflanzenschutz hat ab dann in einem regelmäßigen Turnus von 10-14 Tagen zu erfolgen, abhängig von Temperatur und Niederschlag (Regen, Tau oder Nebel).


Der Erfolg setzt neben dem richtigen Zeitpunkt eine intensive Benetzung des Laubes und die richtige Mittelwahl voraus. Die traditionelle Kupferbehandlung ist in Deutschland aufgrund der Anreicherung in den Böden allerdings auf zwei Anwendungen pro Saison begrenzt. Wir setzen es zu den beiden Abschlussspritzungen Anfang bis Mitte August ein. Für die übrigen Anwendungen steht eine größere Anzahl von Präparaten zur Verfügung, die allerdings grundsätzlich nur vorbeugende Wirkung zeigen.


Klassische Peronosporajahre sind Jahre mit feucht-warmen Sommern (wie 2002); sie erfordern eine intensive Kontrolle der Weinberge auf Infektionen. Aber selbst im bisher trockenen Frühsommer 2003 sind aufgrund der vereinzelten Gewitter hie und da „Ölflecken" zu finden, jedoch bisher keine stärkeren Infektionen.

 

GRAUSCHIMMEL - BOTRYTIS CINEREA

Im Gegensatz zu den vorhergehenden Pilzkrankheiten war Botrytis schon immer in Europa heimisch und ist nicht wirtsspezifisch. Seine wirtschaftlichen Auswirkungen beschränken sich auf die Schädigung der Trauben, obwohl er fast alle Teile der Rebe befallen kann. Der Pilz ist ein fakultativer Parasit und ist das ganze Jahr über an de Rebe vorhanden. Augenausfall, Absterben junger Triebe, Blattbefall und Gescheinsbefall sind zwar bekannt, treten aber meist nur unter extrem feuchtwarmer Witterung auf, welche in unseren Regionen sehr selten ist.


Ganz anders ist die Lage beim Traubenbefall. Je nach Befallszeitpunkt und -ort unterscheidet man zwischen Sauerfäule, Stielfäule und Edelfäule. Von Sauerfäule spricht man, wenn die Trauben bereits bei einem Mostgewicht unter 60° Oechsle befallen wurden. Ausgangspunkt sind oft abgestorbene Blütenreste, Hagelverletzungen oder Einstichpunkte eines Insekts, des sogenannten Sauerwurms. Kommt feuchtwarme Witterung dazu, nimmt das Unheil seinen Lauf. Diese befallenen Trauben sind zur Weinbereitung ungeeignet und müssen bei der Lese aussortiert werden.


Bei Stielfäule wird das Stielgerüst der Trauben befallen, der Stiel wird zersetzt und morsch, die Festigkeit des Stieles so herabgesetzt, dass bereits kleinere Windstösse die Trauben zu Boden fallen lassen, wo sie endgültig verderben. Diese Bodentrauben sind daher nicht verwendbar.


Bei der Edelfäule ergibt sich eine gänzlich andere Situation. Bereits lesereife Beeren werden infiziert. Dies wird durch die Tatsache erleichtert, dass mit zunehmender Reife die Beerenhaut deutlich dünner wird. Der Pilz perforiert diese. Die Folge ist bei trockener Witterung eine Verdunstung des Wassers in den Beeren, die Inhaltsstoffe werden konzentriert, die Mostgewichte steigen erheblich an, die Gewinnung edelster Süßweine (Auslese, Beerenauslese oder auch Trockenbeerenauslese) wird möglich. Aber der Pilz verändert mit seinem Stoffwechsel auch die Inhaltsstoffe der Traubenbeere. Daher eignen sich befallene Trauben nicht zum Ausbau trockener Weine mit viel Frucht und Eleganz.


Die Bekämpfung wird zweigeteilt vorgenommen: Weinbauliche Maßnahmen wie luftige Erziehung, harmonische Düngung, exakte Laubarbeiten mit Einkürzung der Geiztriebe und kurzer Rebschnitt dienen der schnelleren Abtrocknung der Trauben und der Erhöhung der Widerstandskraft. Die chemische Behandlung setzt zu zwei Zeitpunkten ein: kurz vor Traubenschluss, damit das Stielgerüst noch gut geschützt werden kann, und als Abschlussspritzung Mitte bis Ende August, um vorzeitige Infektionen der Beeren zu verhindern. Mehr als zwei Bekämpfungstermine sind nicht sinnvoll, da der Pilz sehr schnell zur Resistenz neigt, die Mittel sehr teuer sind und der Einsatz zu anderen Zeitpunkten wenig Erfolg bringt.


Typische Botrytisjahre mit herausragender Edelfäule waren 1967, 1976 und 1994 - unsere sicherlich besten Jahrgänge. Eine Pflanzenkrankheit also, die wir energisch bekämpfen, unter bestimmten Witterungsbedingungen aber herbeisehnen. Verrückte Welt des Weines!

 

SCHWARZFLECKENKRANKHEIT - PHOMOPSIS VITICOLA

Diese Krankheit ist im englischen Sprachraum auch als dead-arm-disease bekannt, was auf die Gefahr des Absterbens ganzer Rebteile hindeutet. In Deutschland wurde sie erst 1960 entdeckt und ist seitdem in allen Weinbaugebieten heimisch geworden. Der Befall erstreckt sich vor allem auf die basalen Augen (Knospen), die absterben. Damit verkahlt in wenigen Jahren der Schenkel (dead arm), eine wirtschaftliche Nutzung wird fast unmöglich. An den grünen Trieben ist der Befall als schwarze, schiffchenförmige Striche in Längsrichtung zu erkennen, die verschorfen und aufreißen; die unteren Triebteile können schließlich völlig verschorfen und brechen leicht ab. Blätter und Gescheine werden zwar vereinzelt auch befallen, der wirtschaftliche Schaden entsteht aber hauptsächlich durch das Absterben der Knospen und Verkahlen ganzer Pflanzenteile.


Müller-Thurgau gilt als hochanfällig, Riesling und die Burgundersorten betrifft es weniger. Der Pilz wird besonders nach starkem Befall im Vorjahr ab dem Austrieb im Frühjahr mit herkömmlichen Peronosporamitteln, welche alle ebenfalls gegen Phomopsis wirken, bekämpft (10-14-tägig). Trockene Witterung des Vorjahres schränkt den Befall stark ein. Das Frühjahr 2003 war daher unsere beste Unterstützung gegen die Schwarzfleckenkrankheit, während der Witterungsverlauf 2002 diese enorm begünstigte. Durch unsere starke Riesling- und Burgunderausrichtung war eine Behandlung bisher nicht notwendig, aber die Befallsituation beim Müller-Thurgau ist kritisch und kann durchaus in Zukunft eine Maßnahme nach sich ziehen.

 

ROTER BRENNER - PSEUDOPEZICULA TRACHEIPHILA

Die älteste unserer Rebkrankheiten, deren Auswirkungen bereits die Römer kannten. Aber erst Prof. Müller-Thurgau entdeckte 1903 den Pilz als Verursacher von gelblichen, später braun werdenden Flecken. Die befallenen Blätter verdorren und fallen später ab. Bei roten Rebsorten sind die Flecken entsprechend rot. Der Schaden entsteht durch das Absterben der unteren Blätter, die die Gescheine versorgen, diese können dann nicht mehr ernährt werden und sterben so selbst ab. Direkter Traubenbefall ist bekannt, aber sehr selten.


In den 60er und 70er Jahren war die Krankheit in unseren Weinbergen kaum existent. Mein Vater berichtet von stärkerem Auftreten um 1950. Erst seit den 80ern beobachten wir zunehmend besonders in unseren steilen, steinigen Südhängen, wie Felsenberg, Bastei und Felsensteyer, das Erstarken dieses Pilzes. Bei Auftreten der Blattflecken im Juni ist eine Bekämpfung für dieses Vegetationsjahr nicht mehr möglich; diese muss bereits zum Austrieb (Ende April) mit den bekannten Peronosporamitteln erfolgen, um eine mögliche Infektion zu verhindern. Hinweis auf eine kritische Situation liefert ein starker Vorjahresbefall, ist aber kein sicheres Indiz fürs Folgejahr, denn wir konnten durchaus beobachten, dass ein starker Vorjahresbefall trotz unterbliebener Behandlung im darauffolgenden Frühjahr nur geringe Auswirkungen hatte.


Ein Pilz also, dessen Schäden schwierig abzuschätzen sind, der aber offensichtlich die Klimaveränderungen der letzten Jahre goutiert und an der Schwelle zum Problemfall steht.

 

EUTYPIOSE UND ESCA

Beides sind Absterbeerscheinungen an Rebstöcken über die erst in den letzten Jahren in Deutschland berichtet wird. Eutypiose (Eutypa lata) tritt über größere Wunden im alten Holz beim Rebschnitt in das Rebholz ein. Dort breitet es sich nur sehr langsam aus bis erste Symptome sichtbar sind, in den Folgejahren wird der Rebstock schwächer und stirbt letzten Endes ab. Eine direkte Bekämpfung ist nicht möglich. Die erkrankten oder abgestorbenen Rebstöcke müssen aus phytosanitären Gründen entfernt und verbrannt werden.


Neue Untersuchungen zeigen, dass ein hoher Prozentsatz älterer Rebanlagen von dieser Krankheit verseucht ist, ohne Krankheitssymptome zu zeigen. Es handelt sich offensichtlich um ein Schwächeparasit, der vor allem bei vorgeschädigten Stöcken (Frost, mechanische Verletzungen etc.) ein Krankheitsbild zeigt. Wirtschaftliche Schäden waren bisher selten, werden aber in den letzten Jahren u. a. aus dem Rheingau berichtet.


Esca ist ebenfalls eine Absterbeerscheinung und wurde bereits bei den Römern beobachtet. Die Krankheit zeigt sich zuerst als größere Blattflecken nach der Blüte, die Blattränder werden braun, die Blätter sterben ab und die Triebe verdorren von der Spitze aus. Es stirbt dann unter Stressbedingungen ein Teil des Rebstocks oder das Ganze ab. Bei der Bekämpfung gilt das Gleiche wie bei der Eutypiose. Der wirtschaftliche Schaden ist eher punktuell, tritt nicht regelmäßig auf. Interessant ist, dass man bis heute kaum etwas über den eigentlichen Erreger der Esca weiß.

 

GRÜNFÄULE - PENICILLIUM EXPANSUM & ROSAFÄULE - TRICHOTHECIUM ROSEUM

Beide Erkrankungen sind Sekundärinfektionen nach einem vorangegangenen Botrytisbefall auf den Trauben. Zusätzliche Voraussetzung ist eine sehr feuchte Witterung im September und Oktober. Die Pilzbeläge weisen die im Namen aufgeführten Farben auf und machen die befallenen Trauben für Erntehelfer leicht erkennbar. Die Trauben haben einen äußerst unangenehmen, widerlichen Geschmack und müssen bei der Lese unbedingt aussortiert werden.


Paradebeispiel für die Auswirkungen der Grün- und Rosafäule war der Jahrgang 2000. Warmfeuchte Herbstwitterung bedingte fast in allen deutschen Weinbaugebieten Botrytis mit nachfolgendem Penicillium und Trichotheciumbefall. Weingüter mit Traubenvollerntern brachten äußerst problembeladenes Lesegut ein. Allein durch disziplinierte Selektion bei der Handlese war es möglich, fruchtige, reintönige Weine einzulagern. Die Lese in unserem Weingut war zermürbend und aufreibend, aber die Ergebnisse konnten sich sehen lassen. Die beste Bekämpfung dieser Pilze ist eine optimierte Behandlung gegen Botrytis unter Einsatz von Spezialbotryziden kombiniert mit bestem weinbaulichem Know-How.


Bakteriosen, Virosen und tierische Schädlinge werden im Teil 2 unserer Reihe Krankheiten und Schädlinge im Weinberg behandelt.

 
alle Artikel ansehen